Von Freitag bis Sonntag haben mehr als 200 Mitglieder, Mitarbeitende, Fans und Interessierte über den FC St. Pauli diskutiert. Der Verein hat mit dem Kongress bewusst einen Raum für einen solchen Austausch schaffen wollen, und viele Teilnehmende brachten sich und ihre Perspektiven ein, um den FC St. Pauli gemeinsam zu gestalten.
Der Ballsaal der Haupttribüne verwandelte sich an diesem Wochenende in einen Raum für viele Gespräche und lebhafte Debatten. Mal waren sich die Teilnehmenden einig, mal ging es kontrovers zur Sache – aber immer war der Austausch respektvoll. „Miteinander ins Gespräch zu kommen, das war eines unserer Hauptziele“, sagt Martin Drust, beim FC St. Pauli für die Marke verantwortlich, der den Kongress mit einer Gruppe aus Mitarbeitenden und Ehrenamtlichen organisiert hatte. Unterstützt wurde der FC St. Pauli bei der Strukturierung der drei Tage durch die Hochschule für Gesellschaftsgestaltung.
Den ersten Abend widmete die Teilnehmende der Frage, was die Wertegemeinschaft des Vereins eigentlich ausmacht. Zwar gibt es hier viele Perspektiven, doch auffällig war, wie viele Menschen den FC St. Pauli mit Werten wie Antifaschismus und Solidarität verbinden. Diskutiert wurde auch die Frage, wie Verein und Fans sicherstellen können, dass dabei niemand übersehen wird.
Wofür steht der FCSP?
Außerdem beschrieben die Teilnehmenden besondere Ereignisse, die sie mit dem FC St. Pauli in Verbindung bringen. Hier gab es eine Mischung aus besonderen Siegen, die man miterlebt hat, aber oft waren es auch Erlebnisse im Stadion oder in der Gemeinschaft, kleine oder große Hilfsaktionen. Bei der Diskussion über gemeinsame Werte wurde deutlich, dass Antifaschismus und das Eintreten für ein inklusives Miteinander.
Durch die Arbeit in Gruppen, die zufällig eingeteilt wurden, kamen oft Menschen miteinander in Kontakt, die sich noch nicht kannten und die viele verschiedene Perspektiven mit einbrachten. Und genau das möchte der Verein auch erreichen: Gesprächsräume öffnen, Menschen zusammenbringen, Bewusstsein und Verständnis für unterschiedliche Perspektiven fördern.
Wie gehen wir miteinander um?
Am zweiten Tag nahmen die Teilnehmenden den Verein genauer unter die Lupe, sezierten ihn fast schon. Die Leitfrage lautete: Was tut der FC St. Pauli eigentlich? Und was (noch) nicht? Diese Frage diskutierten die Teilnehmenden in Bezug auf den Verein selbst, den Sport sowie das Stadion.
Wichtige Themen waren dabei Awareness, Streitkultur und die Frage, wie eine gute Zusammenarbeit als Gemeinschaft gelingt. Auch um Zielkonflikte, rote Linien und das Verhältnis von „Einkaufen“ und Selbermachen waren Thema. Und schließlich diskutierten die Gruppen jeweils, wie die zuvor erörterten Punkte gemeinsam umgesetzt werden können, um den Verein und die Gemeinschaft zukunftsfähiger, kooperativer und inklusiver zu gestalten. Dabei wurde deutlich, dass es immer wieder Spannungsfelder gibt – zwischen Hauptamtlichen und Ehrenamtlichen, zwischen verschiedenen Fan-Gruppen im Stadion, zwischen den Generationen. Durchaus kontrovers ging es zur Sache, als die Frage diskutiert wurde, welche Aufgaben der Verein zu erfüllen habe und wie der FC St. Pauli und die Fans auf Gewalt im Stadion reagieren soll und kann.
Bei den Diskussionen wurde aber deutlich, dass es eine gemeinsame Idee von einem respektvollen Miteinander gibt, dass dieses Ideal in der Realität aber nicht immer erreicht wird und dass alle gemeinsam dafür eintreten müssen, das Millerntor zu einem sicheren Ort für alle Menschen zu machen. Dazu gehört auch, ehrlich und selbstkritisch Probleme offen miteinander zu besprechen und Konflikte vernünftig auszutragen, um gemeinsam Lösungen zu erarbeiten.
Wofür soll der FCSP 2035 stehen?
Am Sonntag widmeten sich die Teilnehmenden der Frage, wohin sich der FC St. Pauli bis 2035 auf den Weg machen soll. Diese Diskussion baute auf den vorherigen Tagen auf, gleichzeitig bot der Kongress aber auch Raum für Utopien, die nicht kurzfristig umsetzbar sind. Damit es aber nicht bei Träumereien bleibt, hielten die Teilnehmenden anschließend konkrete Ideen fest, um diese Ideen auch umzusetzen – vielleicht nicht sofort, aber vielleicht bis 2035.
„Teilhabe leben“
Präsident Oke Göttlich war am Ende des Kongresses vor allem über den offenen Austausch glücklich. „So stellen wir uns den FC St. Pauli vor: Kontroverse aber auch konstruktive Diskussionen erzeugen genau die Energie und Ideen, die wir brauchen, um den Verein immer weiter nach vorne zu bringen und nicht zu stagnieren.“ Göttlich dankte den Organisator*innen des Kongresses für die sinnvolle und professionelle Vorbereitung und den Teilnehmenden für ihr Engagement.
„Es ist schon doll, dass 200 Menschen ihr gesamtes Wochenende bei uns im Stadion verbringen, um über den FC St. Pauli zu diskutieren. Wir sind der Überzeugung, dass es insbesondere in Zeiten, in denen oft nur noch digital übereinander statt miteinander gesprochen wird, ein solch respektvoller Austausch gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Partizipation sind nicht nur Schlagworte in Sonntagsreden, sondern wir leben diese Werte auch.“
„Gemeinsames Anliegen“
Lars Hochmann von der Hochschule für Gesellschaftsgestaltung zeigte sich beeindruckt von der Veranstaltung und der Bereitschaft der Teilnehmenden für offene Diskussionen. „Der Kongress hat gezeigt, dass es ein gemeinsames Anliegen gibt, das die Menschen verbindet“, sagt Hochmann. Das Ziel sei, gemeinsam den Verein konkret und die Verhältnisse insgesamt zu verbessern – und dabei eine Vielfalt nach innen zu leben.“
Wichtig sei zudem, dass alle ihre Themen einbringen konnten. „Natürlich konnten wir nicht alle Probleme lösen und Themen ausdiskutieren“, betont Lachmann, „dann hätte der Kongress mindestens drei Wochen dauern müssen.“ Doch es sei gelungen, die wichtigsten Bereich zu erkennen und den Austausch zu fördern.
Die Ergebnisse des Kongresses werden nun aufgearbeitet. Martin Drust dankte der Hochschule für Gesellschaftsgestaltung für die Begleitung des Kongresses und allen Beteiligten für ihr großartiges Engagement.
(pg)